Stellung nehmen:
Zu einem Gegenstand, der an sich nicht eindeutig ist, nach kritischer Prüfung und sorgfältiger Abwägung ein begründetes Urteil abgeben.


Aufgabe: Nimm unter Ausnutzung des Materials kritisch Stellung zur Bergmannschen Regel.


Pasted Graphic

Pasted Graphic 1

Textinformation:

Der Lebensraum der verschiedenen Pinguinarten reicht auf der Südhalbkugel vom Äquator bis zur Antarktis. Die unterschiedlichen Umweltbedingungen waren eine Voraussetzung dafür, dass sich verschiedene Pinguinarten im Laufe der Evolution entwickelt konnten. Einige Arten, wie der Kaiserpinguin kommen mit extremen klimatischen Bedingungen zurecht. Sie sind an ihren Lebensraum angepasst worden. So zeigen die Pinguinarten z.B. unterschiedliche Größen (s. Tab. 1).
Bei der Wärmeaufnahme und -abgabe eines Lebewesens spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle (s. Abb.1). Wissenschaftler sind oftmals bestrebt Phänomen nachzugehen, die auf dem ersten Blick eine Regel erkennen lassen. So sind biogeografische Regeln, die z.B. körperliche Erscheinungen zu Erklären versuchen, aufgedeckt worden. Nach der Bergmannschen Regel
haben gleichwarme Tiere einer Art und Arten eines Verwandtschaftskreises in kälteren Regionen der Erde eine durchschnittlich höhere Körpergröße als in wärmeren. Die erhöhte Körpergröße hat ein größeres Körpervolumen und damit eine kleinere relative Körperoberfläche (Verhältnis aus Körperoberfläche zum Körpervolumen) zur Folge. Somit verringern größere Individuen einer Art bzw. Arten eines Verwandtschaftskreises ihren Energieverlust.





 

 

Kaiser-PinguinMagellan -PinguinGalapagos-Pinguin Zwergpinguin
Größe
120 cm
70 -75 cm
40-50 cm
30 cm
Gewicht
50 kg
 5 kg
2 kg
1,5  kg
Vorkommen
 
 65-77 südlicher
Breitengrad
34-56
südlicher
Breitengrad
  Äquator
45-60 südlicher
Breitengrad
Lebensraum
Antarktis
Falklandinseln, Chile, Argentinien und Uruguay, teilweise auch im Süden
Brasilien
Equador (Galapagos-Inseln)
Neuseeland, Südküste Australiens, Tasmanien
 
Wassertemperatur
 
etwa -1,8 Grad Celsius
 
kaum über
20 Grad Celsius
 
16-27 Grad Celsius
 
kaum über 20 Grad Celsius
Klimazonen
polare Zone
gemäßigte Zone
gemäßigte Zone
gemäßigte Zone

1. Schritt: Ich erkläre den Sachverhalt zu dem ich Stellung nehmen werde.

Laut der Bergmannschen Regel
haben homoitherme (gleichwarme) Tiere einer Art und Arten eines Verwandtschaftskreises in kälteren Regionen eine kleinere relative Körperoberfläche als in wärmeren, da sie dadurch weniger Energie an ihre Umwelt abgeben.
Für die genannten Tiere der Tabelle müsste die Bergmannschen Regel zutreffen, da es sich um gleichwarme Tiere einer Art/Arten eines Verwandtschaftskreises handelt. Somit müssten die Arten in kälteren Regionen der Erde eine durchschnittlich höhere Körpergröße als in wärmeren Gebieten zeigen, um ihren Energieverlust zu minimieren.

Der Tabelle ist zu entnehmen, dass der Galapagos-Pinguin, der am Äquator lebt, kleiner als der Magellan-Pinguin ist, der zwischen dem 34-56 Breitengrad wohnt. In der Antarktis, also am weitesten vom Äquator entfernt, lebt der größte Pinguin, der Kaiserpinguin. Dort ist es am kältesten.

Der kleinste Pinguin der Welt, der Zwergpinguin, lebt zwischen dem 45-60 Breitengrad. Dort ist es i.d.R. kühler als am Äquator.

2. Schritt: Ich erkläre anhand des Materials, weshalb die Bergmannsche Regel nicht eindeutig ist.

Die Bergmannsche Regel lässt sich beim Größenvergleich von Galapagos-Pinguin, Magellan-Pinguin und Kaiserpinguin bestätigen. Nach ihr müsste jedoch der Galapagos-Pinguin, der am Äquator lebt, kleiner als der Zwergpinguin sein. Somit trifft bei diesem Vergleich die Bergmannsche Regel scheinbar nicht zu.

3. Schritt: Ich nehme kritisch Stellung zum Sachverhalt.

Da die Energieabgabe über die Körperoberfläche Grundlage der Bergmannschen Regel ist, muss man sich zunächst Gedanken über alle Komponenten, die am Energieaustausch eines Körpers beteiligt sind, machen. Im Überblick lässt sich hierzu folgendes zusammenfassen:

Änderung der Körpertemperatur durch …

  • Stoffwechselprozesse: Bei heterotrophen Organismen – Organismen, die andere Lebewesen zur Grundlage ihres Stoffwechsels brauchen – ist Nahrungsaufnahme eine Voraussetzung. Durch Ab- und Umbauprozesse erzeugt ein Lebewesen im Körper energiereiche Verbindungen, die in den Mitochondrien zu körpereigener Energie umgewandelt wird. In Lebewesen wird diese Energie für Auf- und Umbauprozesse sowie zur Erzeugung von Wärme und somit zur Wärmeregulation genutzt.

  • Wärmestrahlung: Die Größe der Wärmestrahlung hängt von der Körperoberfläche und von der Temperaturdifferenz ab.

  • Wärmeleitung: Die Größe der Wärmeleitung hängt vom Temperaturunterschied der aneinandergrenzenden Körper ab. Es findet ein Wärmetransport zum kälteren Bereich hin statt um einen Temperaturausgleich zu erreichen (Temperaturunterschied zwischen aneinandergrenzenden Flüssigkeiten, Zellen – Geweben, …).

  • Wärmemitführung: Alle sich im Körper bewegenden Substanzen und Flüssigkeiten führen auf ihrem Weg Wärme mit und beeinflussen die Körpertemperatur. Durch Wärmemitführung wird z.B. mittels des Blutes Wärme zur Körperoberfläche transportiert oder durch Atemluft, Urin, Ejakulat, Blut und Kot direkt an die Umwelt abgegeben.

  • Verdunstung: Bei Oberflächenflüssigkeiten, z.B. Schweiß, Speichel, gehen beim Verdunsten Wassermoleküle in den gasförmigen Zustand über und nehmen auf diesem Wege Energie von der Oberfläche mit.

Während die Aspekte 2-5 durch die Größe der Körperoberfläche direkt beeinflusst werden, erhält die Nahrung - ohne die kein Stoffwechsel möglich wäre - einen besonderen Stellenwert. So hängt die individuelle Körpergröße u.a. grundsätzlich auch vom Nahrungsangebot ab. Da sich diese Regel auf Arten bezieht, tritt dieser Aspekt in den Hintergrund.

Die relative Körperoberfläche, d.h. der Quotient aus Köperoberfläche zum Körpervolumen, als Grundlage der Wärmeregulation zu betrachten vernachlässigt die angrenzenden Körperstrukturen wie Unterhautfettgewebe und Aufbau von Fell bzw. Federn. Somit wird deutlich, dass die Bergmannsche Regel nicht immer zutreffen kann, sodass Ausnahmen zulässig sein müssen.